von: Die
Löwin und der Maulwurf - 18.11.2003
Gestern, am 17. November 2003 jährte sich der
Jahrestag der Gründung der EZLN zum 20. Mal. Um dies zu feiern und ein wenig
Öffentlichkeit zu schaffen, gab es am frühen Nachmittag und Abend einen
revolutionären "Info-Caféstand" in der münsteraner Innenstadt. Feliz Cumpleaños al EZLN!!!! No están sol@s!!!
Nachfolgend der Text des Flugblattes, das an die
BürgerInnen verteilt wurde:
Infos darüber, wer warum mit wem
Geburtstag feiert und Erklärung, wer die Zapatistas eigentlich sind.
Heute, am 17. November 2003, jährt sich der Jahrestag
der Gründung der EZLN („Zapatistische Befreiungsarmee“) aus Mexiko zum 20.
Mal. Mit dieser Gründung entwickelte sich im südlichsten Bundesstaat Mexikos
(Chiapas) eine Bewegung, die gegen Ausbeutung und Unterdrückung nicht nur in
ihrem Land, sondern weltweit kämpft, um etwas Neues zu schaffen, etwas
Menschlicheres und etwas Gerechteres.
1994 erhoben sich die in der EZLN organisierten
Indígenas, die Ureinwohner Mexikos, in dem bewaffneten Kampf gegen die
Regierung. Sie kämpften zwei Wochen lang, um denjenigen eine Stimme zu geben,
die über 500 Jahre nicht gehört wurden. Seit 10 Jahren nun kämpfen sie mit
Worten anstatt mit Waffen und halten ein einseitiges
Waffenstillstandsabkommen mit der Regierung ein. Während die Regierung einen
schmutzigen Krieg der „niederen Intensität“ führt, indem sie die
Aufständischen mordet, unsägliche Repression ausübt und den Menschen ihre
Existenzgrundlage entzieht, versuchen sich die Zapatistas autonom und
basisdemokratisch zu organisieren.
Heute zeigen wir unsere Solidarität mit der zapatistischen
Bewegung und feiern damit die Gründung der EZLN, weil die Aufständischen in
Chiapas zeigen, dass eine andere Welt möglich ist, weil nicht die Eroberung
der Macht das Ziel der Zapatistas ist, sondern Demokratie, Freiheit,
Gerechtigkeit und ein Leben in Würde für alle. Weil der Aufstand der
Zapatistas nicht entfacht wurde, um fertige Rezepte in die Tat umzusetzen,
sondern um die Freiräume zu schaffen, anders zu leben und zu denken, weil es
ihnen nicht darum geht, endgültige Antworten zu besitzen, sondern darum,
Fragen zu stellen; denn es müssen immer neue Wege des Denkens und Handelns
eröffnet werden. Weil sie gegen den Neoliberalismus kämpfen und sich
basisdemokratisch und kollektiv organisieren. Weil sie uns zeigen, dass es
nicht nur möglich ist gegen etwas zu kämpfen, sondern auch für etwas, und
weil sie uns zeigen, dass es für jeden von uns möglich ist, sich zu
organisieren.
Und was geht uns das hier in Deutschland an?
Vieles von dem, was sich gegen die Gestaltung der Welt
von den Reichen für die Reichen regt, findet ihren Ursprung im Aufstand und
den Initiativen der Zapatistas.
Heute, 20 Jahre nach der Gründung der EZLN, schlägt der
Neoliberalismus in Deutschland mit all seiner Härte all diejenigen, die nicht
in das Konzept der gnadenlosen Vermarktung und der kapitalistischen
Verwertung passen.
Es ist an der Zeit, auch hier zu sagen: Ya Basta - es
reicht! Schluss mit den neoliberalen Programmen der Regierung!
Nun, Sie werden wohl immer noch denken: Und was geht
mich das alles an? Mexiko ist weit weg, fast eine Galaxie. Chiapas, davon
haben wir noch nie was gehört. Und warum stehen diese Leute hier rum und
erzählen den Quatsch. Wir sind hier zum Einkaufen. Außerdem will das Kind
noch vom Training abgeholt werden. Das Essen muss auf den Tisch. Morgen
müssen wir wieder früh raus.
So oder so ähnlich werden Sie vielleicht denken. Weit weg ist Chiapas
sicherlich:
Topographie: dort gibt es Berge, hier ist es flach. Dort Regenwald, hier
Kuhweiden.
Sprache: dort Spanisch, Tzeltal, Tzotzil und viele andere, hier spricht man
Hochdeutsch.
Politik: hier spricht man von Frieden und Demokratie und hat den Knüppel doch
immer griffbereit, in Chiapas herrscht Krieg, aber die Zapatistas kämpfen mit
Worten.
Ökonomie: nun, Sie werden sich entweder wohl zu Tode arbeiten oder
wegrationalisiert worden sein, dort sterben sie durch Arbeit, und sie
sterben, wenn sie auf die Strasse geworfen werden. Sie können auch ins
Krankenhaus gehen oder in die Schule, und Sie bekommen immer noch
Arbeitslosengeld in Höhe des Sozialhilfesatzes. Die Indígenas in Chiapas können
nicht zur Schule, nicht ins Krankenhaus, und Sozialhilfe hat es noch nie
gegeben. Dann muss es wohl der Regen sein, der uns gemeinsam ist, triefend,
grau in grau, die Tage beginnen spät und enden früh.
Und das soll alles sein. Der triefende Regen, das Grau
in Grau, die Nacht. Vielleicht auch nicht. Am 1. Januar 1994 haben die
Zapatistas sich erhoben, an dem Tag, als das Nordamerikanische Freihandelsabkommen
unterzeichnet worden ist. Ein Faktum der kapitalistischen Globalisierung.
Aber das stimmt nicht, der Regen ist nicht alles Gemeinsame, denn Sie können
hier dasselbe hören wie dort: dass zuwenig gearbeitet wird und die Löhne zu
hoch sind, dass kein Geld für das Gesundheitssystem da ist und auch keins für
die Schulen und auch keins für die, die arbeitslos sind. Weil der
Wirtschaftstandort gestärkt werden muss, weil wir gegen die Konkurrenz
bestehen müssen, weil der Mensch für die Wirtschaft da ist und nicht
umgekehrt. Sie sehen, es gibt so was wie den mexikanischen Hartz I, II, III,
IV, den Rürup, die Finanzlöcher und Schlupflöcher, und die, die immer reicher
werden und durch jedes Loch hindurchfinden.
Wir haben viele Gemeinsamkeiten! Deswegen sind wir hier.
Nämlich um einen Geburtstag zu feiern, und zwar den einer Organisation, von
Menschen geschaffen, die erkannt haben, dass der Staat es nicht mehr richtet,
die beschlossen haben, ihr Leben in die eigene Hand zu nehmen, damit die
Sonne für alle scheine und jeder Mensch die Möglichkeit auf ein würdevolles
und gerechtes Leben hat. Deswegen, weil wir anders sind und auch gleich,
stehen wir hier mit den Zapatistas zusammen. Deswegen bitten wir sie, von dem
täglichen Grauen ein wenig Auszeit zu nehmen und ihr Leben in die eigene Hand
zu nehmen. Sie können gerne mit den Leuten hinter dem Stand reden, die beißen
nicht und versuchen ebenfalls, mit Worten zu kämpfen. Hier am Stand gibt's
fair gehandelten Kaffee, Tee und wenn wir es geschafft haben auch Kuchen. Und
- vielleicht regnet es ja auch gar nicht. Aber das liegt nicht in unserer
Hand.
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B.A.S.T.A.
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